"Ich denke, also bin ich", sagte einst der Philosoph René Descartes. "Ich denke zu viel und das macht mich krank", sagen viele Klient:innen in meiner Praxis. Bist du auch zu häufig in deinem eigenen Gedankenkarusell gefangen und fragst dich:
Wie kann ich endlich aufhören zu denken?
Nun, um es vorwegzunehmen: Gar nicht! Es ist die Aufgabe des Kopfes fortlaufend Gedanken zu produzieren, so wie es die Aufgabe des Herzen ist, fortlaufend zu schlagen. Und das ist gut so. Ein Kopf, der keine Gedanken mehr produziert, wäre wie ein Herz, das nicht mehr schlägt - nein, das möchten wir nun auch wieder nicht!
Können wir kontrollieren, was wir denken?
Es ist schon faszinierend und beindruckend aber auch verstörend und manchmal gar besorgniserregend, was unser Kopf so alles denken kann. Sinnfreie Gedanken, abstruse Gedanken und häufig auch Gedanken, die wir so gar nicht denken wollen. Das kann mächtig Angst machen: "Wie kann ich so etwas nur denken? Das ist doch nicht normal? Bin ich verrückt?"
Eigentlich wissen wir ziemlich wenig darüber, wie unser Gehirn funktioniert. Für biologische Abläufe gibt es mehr und mehr Erklärungsversuche. Wobei ja auch hier die Wissenschaft von heute nur der Irrtum von morgen ist ;-) Wie unser Denken jedoch funktioniert, darüber wissen wir so gut wie gar nichts.
"Woher kommen die Gedanken? Wieso denke ich Gedanken, die ich gar nicht denken will? Warum kann ich Dinge denken, ich ich moralisch verwerflich finde und die gar nicht zu mir passen? Bin ich meinen Gedanken hilflos ausgeliefert?"
Was die Verhaltenstherapie empfiehlt: "Gedankenstopp" - eine kurzzeitige Unterbrechung - danach geht das Gedankenkreisen weiter. "An etwas anderes denken" - nun würde das funktionieren, würdest du diesen Artikel gar nicht lesen. "Sich mit einer Tätigkeit ablenken" - hilft nur solange, du bei dieser Tätigkeit bleibst. Manchmal ist die Wissenschaft von gestern eben der Irrtum von heute. Was tun?
Wir können uns entscheiden, welchen Gedanken wir "folgen" wollen.
Unser Gehirn ist wie ein riesiger Fluß, indem alle möglichen (und unmöglichen) Gedanken immerwährend dahinfließen. Das was da alles dahinfließt, bist nicht du. Es sind nur Gedanken-Angebote. Es sind nicht "deine" Gedanken. Du machst diese Gedanken erst zu "deinen" Gedanken, wenn du ihnen folgst.
Du bist nicht, was du denkst. Oder: Glaube nicht alles, was du denkst. Besser noch: Folge nicht allen Gedanken, die du denkst. Entscheide dich bewusst, welche nicht-hilfreichen Gedanken in diesem Fluss, du an dir vorbeifließen lässt, ohne ihnen weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Entscheide dich bewusst, welchen Gedanken du folgen willst. Das ist die einzige Kontrolle, die du je über deine Gedanken haben wirst!
Die schlechte Nachricht: Wir müssen das immer wieder tun, so lange unser Gehirn Gedanken produziert. Die gute Nachricht: Wir können das immer wieder tun, so lange unser Gehirn Gedanken produziert. Und wir können das üben: Mehr und mehr den Gedanken zu folgen, denen wir wirklich folgen wollen und all die anderen, nutzlosen Gedanken an uns vorbeifließen lassen. Gibt es einen Trick? Üben. Üben ist der Trick, denn jede Fähigkeit, die wir üben, verbessern wir. Übst du wenig, hast du wenig Effekt, übst du viel, hast du viel Effekt.
Nimm dir jeden Tag ein paar Minuten. Schließe die Augen. Setze dich an das Ufer deines inneren Gedankenflusses. Beobachte all die Gedanken, die vorbeiströmen, ohne ihnen zu folgen. Beobachte nur. Staune, was dein Gehirn so alles an Gedanken produzieren kann. Es sind noch nicht "deine" Gedanken. Es sind nur Gedanken-Angebote an dich. Wenn du einen guten oder schönen Gedanken entdeckst, dem du folgen magst, tu es. Lenke deine Aufmerksamkeit auf diesen guten Gedanken und spüre, die Energie, die fließt.
Energy flows where attention goes.
Entscheide weise, welchen Gedanken du folgst und wohin du deine Energie fließen lässt. Du kannst diese Übung so oft wiederholen, wie du möchtest.
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